Frauen lieben Schreiben [Archiv]

Frauen lieben Schreiben - AstroLibrium Archiv

Frauen lieben Schreiben. Das Kalenderprojekt der kleinen literarischen Sternwarte im Jahr 2020. Literaturpreise, Führungspositionen in der Verlagsgesellschaft, die Präsenz in der öffentlichen Wahrnehmung. Frauen sind unterrepräsentiert, fast unsichtbar in der vielfältigen Welt des geschriebenen Wortes. Viele Initiativen versuchen, Rollenbilder zu verändern und zu korrigieren. Und doch schlagen traditionelle Klischees durch und sind ursächlich für den Stillstand in diesem Bereich. Der Kalender Frauen lieben Lesen war für mich Anlass genug, die Rolle der Frau als Schriftstellerin in einem eigenen Kalender in den Vordergrund zu stellen. Sie sind nicht im passiven Rollenbild verhaftet. Ich habe „meine“ Herzensautorinnen gebeten, auf meinen monatlichen Kalenderblättern Flagge zu zeigen. #FrauenliebenSchreiben. Folgt diesem Motto durch ein erlesenes Jahr.

Februar 2020

Frauen lieben Schreiben - AstroLibrium Archiv

NINA GEORGE. Bestsellerautorin, Wortkünstlerin, Sichtbarkeits-Aktivistin für Frauen in einer vielfältigen Literaturwelt, Initiatorin des Projektes #frauenzählen, Präsidentin des European Writers` Council, dem Dachverband von derzeit 38 Schriftstellerinnen und Übersetzerinnen-Verbänden, eloquente Gesprächspartnerin, wandlungsfähige Autorin voller Ideenreichtum, Social-Media-Profi und Urheberrechtsverfechterin. Ich begegnete ihr auf meiner Lesereise durch die „Schönheit der Nacht“ und bin ihr extrem dankbar, dass sie die „Leuchttürmin“ dieses Kalenderprojektes ist. Ihre Strahlkraft ist exorbitant und eines ihrer Zitate steht für alles, was diese Autorin so geheimnisvoll und erfolgreich macht.

„Wie viele Frauen ist eine Frau?
Und wie viele Jahre fließen dahin, bis eine Frau das Eigene gefunden hat? Und hat die Zeit dann noch eine Nische für das, wer sie wirklich ist, für ihre Pläne, ihre Gedanken, für den Reichtum ihrer Fähigkeiten – oder ist die Zeit zugeziegelt mit den Dingen, die sie tagtäglich tut und tun muss?“

März 2020

Frauen lieben Schreiben - AstroLibrium Archiv

Alex Beer, österreichische Krimiautorin von Format, Parallelwelten-Sucherin und Intensiv-Schriftstellerin mit dem Fachgebiet Wiederbelebung der Vergangenheit. Was mit Daniela Larcher begann, hat sich unter dem Pseudonym Alex Beer in einen wahren Prachtfalter der Literaturszene entpuppt, die August-Emmerich-Reihe sorgt international für Furore. Renommierte Literaturpreise pflastern ihren Weg und die zeitlose Relevanz ihrer Themen steht für das Werk der Autorin. Politische Wellenbewegungen im Wandel der Zeit sind ihr Metier. Sie erhebt ihre Stime gegen Ausgrenzung, Unterdrückung und Machtmissbrauch. Ihre Protagonisten sind nicht skizziert. Sie stehen farbenfroh, kantig und facettenreich mitten im Leben. Wenn Cornelius Obonya ihre historischen Romane mit seiner Stimme zum Hörbuch-Leben erweckt, verdient das Duo Wienfernale seinen Namen.

Ich danke der Preisträgerin des Österreichischen Krimipreises nicht nur für ihre brillant erzählten Romane, die einen festen Platz in meinem Lesen haben, ich danke ganz besonders für die Ehre, mein Kalenderblatt März 2020 zu einem Ereignis werden zu lassen. Hier geht`s zu ihrer August-Emmerich-Reihe auf AstroLibrium, die schon bald mit Das schwarze Band fortgesetzt wird. Und PS: Solltet Ihr Alex Beer in einer Buchhandlung begegnen. Nicht wundern, sie neigt dazu, ihre Bücher ins Schaufester zu schmuggeln. Danke Daniela, Alex für diese relevanten Zeitscheibenfenster mit tiefer Botschaft für die heutige Zeit.

April 2020

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Selfpublisher sind von der derzeitigen Corona-Krise extrem betroffen. Deshalb ist das Kalenderblatt April einer wahren „Selfmadewoman“ gewidmet. Olivia Mae lebt und schreibt in Österreich. Und nicht nur das. Sie zeichnet verantwortlich für den Druck der Bücher, den Vertrieb, das Lektorat, Marketing-Aktivitäten, Merchandising sowie Social-Media-Kampagnen. Olivia Mae ist Autorin und Verlag in einer Person. Ihre Community wächst, ihr Erzählstil setzt sich durch und ihre Bücher erfreuen sich inzwischen großer Beliebtheit. Sie bewegt nicht nur sich, sondern auch ihre Leser. Ihre Dynamik beweist, dass nicht nur Bill Gates in seiner Garage etwas Großes erreichen konnte. Ohne Inhalt jedoch ist die beste Autorin aufgeschmissen. Und genau dieser literarische Inhalt steht für ihr Schreiben. Die Buchreihe Requia ist mehr als ein Geheimtipp. Gerade entsteht der vierte Teil. Stellvertretend für alle Selfmadewomen dieser Tage wünsche ich mir für Olivia Mae mehr Sichtbarkeit und öffentliche Wahrnehmung. Unabhängig und auf sich gestellt. Das verdient zumindest einen Blick auf ihr Schaffen. „Requiafiziert“ euch…

Mai 2020

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Der Wonnemonat Mai ermöglicht es mir, eine wahre Grande Dame der Literatur zu ehren. Brigitte RiebeDie promovierte Historikerin, ehemalige Verlagslektorin und konstante Bestseller-Autorin ist, wenn es um ihre Bücher geht, kein stilles Wasser. Sie sprudelt vor Ideenreichtum, lässt kaum eine historische Epoche unberührt und fließt mit unaufhaltsamer Intensität durch die literarische Landschaft. Ob Venedig, der Bodensee, Köln oder ihr geliebtes München. Viele dieser Schauplätze sind durch ihre Geschichten untrennbar mit ihrem Namen verbunden. Historische Relevanz prägt ihr Schreiben. Mit der Pestmagd schrieb sie schon fast ein historisches Standardwerk zur Bewältigung einer Seuchenkrise. Marlenes Geheimnis thematisierte Flucht und Vertreibung. Eine bewegende Geschichte über tief verwurzelte Erinnerungen, die oft ungeteilt bleiben. Die in diesen Tagen finalisierte „Ku´damm-Trilogie„ stellte einen weiteren Höhepunkt ihres facettenreichen Schaffens dar.

Brigitte Riebe ist authentisch, nahbar und liebenswert. Eine Autorin ohne Allüren, was sie bei ihren Fans umso beliebter macht. Ihre Social-Media-Auftritte sind exemplarisch für ihre Fähigkeit, echte Bindungen zu erzeugen. Und nicht nur das. Dieser literarische Fluss verzweigt sich in bedeutende Nebenarme, die nicht viele kennen. Einer davon ist ein Pseudonym, unter dem Brigitte Riebe ebenso erfolgreich ist. (Das jedoch bleibt ein Geheimnis). Ein anderes Geheimnis lüfte ich ganz zaghaft mit einem Zitat: Sie ist nicht nur Erfolgsautorin, sondern Fürsprecherin junger Schriftsteller und Geburtshelferin bei ihren ersten großen Schritten auf dem literarischen Parkett.

Dazu sagt der Dresdner Bestseller-Autor Frank Goldammer, Verfasser der „Max-Heller-Krimireihe„, der mit „Der Angstmann“ den Durchbruch schaffte:

„Brigitte hat mir einen ersten wirklichen Einblick in die Branche verschafft, hat mir entscheidende Hinweise und Ratschläge gegeben und ich kann sagen, ohne sie hätte es Max Heller in dieser Form vermutlich nicht gegeben.“

Danke: Brigitte für Deine Zusage und Frank für das Lüften des Geheimnisses…

Juni 2020

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Den Juni meines literarisch-femininen Kalenderprojekts möchte ich einer wahren „Gestaltwandlerin“ widmen. Man begegnet ihr in der Literaturwelt in vielen Rollen, in denen sie zu brillieren weiß. Einerseits ist sie Blogger-Kollegin und schreibt mit ihrem Mann Kay seit Jahren erfolgreich auf „his & her books“. Sie weiß um die Aussagekraft von Rezensionen, ist in „unserer“ Szene bestens vernetzt und geschätzt. Andererseits hat sich Stefanie Hasse inzwischen einen Namen als Schriftstellerin gemacht. Ihr Weg begann vorsichtig und doch fulminant als Selfpublisherin und es war nur eine Frage der Zeit, bis die großen Publikumsverlage auf sie aufmerksam wurden. Jetzt begegnet man ihr in ihrer Autorenwelt, in der ein prall gefülltes Portfolio fantasievoller Romane auf ihre geneigte Leserschaft warten.

Steffi ist authentisch und wahrhaftig, wenn es darum geht, mit Menschen in Kontakt zu treten. Sie ist keine Marke, kein Literaturbetrieb. Sie ist getrieben von Leidenschaft und Hingabe zum geschriebenen Wort. Sie erzeugt Bindung und Nähe, versprüht einen unglaublich natürlichen Charme und besitzt die Gabe, Geschichten zu erzählen, die nur sie erzählen kann. Ihre Stärken sind der direkte Kontakt zum Lesenden, die Nähe beim Buchevent, die Zuneigung zu den Menschen, die ihr literarisch und persönlich folgen.

Ihr neuer Roman ist schon in aller Munde, wenn er in diesen Stunden erscheint. Sie hat voller Vorfreude darauf hingearbeitet und kämpft nun wie viele Autoren damit, einen neuen Roman ohne Lesungen, Signierstunden und weitere Events sichtbar zu machen. „Pretty Dead: Wenn zwei sich lieben, stirbt die Dritte“ erscheint zeitgleich mit dieser Juni-Ausgabe meines Kalenders „Frauen lieben Schreiben“. Und doch werbe ich nicht für dieses Buch. Ich werbe, seit wir uns kennen, für eine Bloggerin und Autorin, die für mich persönlich zu den liebens- und lesenswertesten Erscheinungen der Buchbranche gehört. Danke Steffi, für die spontane Bereitschaft, mein „Juni-Calendar-Girl“ zu sein.

Hier ein Radio-Interview noch vor ihrem großen Durchbruch

Juli 2020

Frauen lieben Schreiben - AstroLibrium Archiv

Ich bezeichne sie seit Jahren liebevoll als Fluchthelferin meines Lesens. Sie hat mich zum Weltrekordhalter der Verfolgungsjagden durch ihre Romane gemacht. Wenn ich an sie denke, schnüre ich in Gedanken meine Laufschuhe, um ihrem Tempo folgen zu können. Ihre literarische Vita ist eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. Seit Jahren schreiben ihre Thriller ganz eigene Geschichten. Sie fesselt Jugendliche, weil sie ihren Thrillern Themen zugrundelegt, mit denen man sich identifizieren kann. Es geht ihr um Zugehörigkeitsgefühl, Abenteuerlust, Individualität, Privatsphäre und Fluchtstreben aus dem tristen Alltag. Das macht ihre Bücher relevant und greifbar. Sie erreicht mit ihren Erwachsenen-Thrillern eine Zielgruppe, die das Spannende liebt, zugleich jedoch nicht unbedingt im Blut waten muss, um vom Hocker gerissen zu werden. Sie ist eine große literarische Tiefenpsychologin, auf deren Couch ich viele Monate verbracht habe.

Nach zahllosen Rezensionen und einem Radiointerview ist es mir eine besondere Ehre, das Kalenderblatt Juli 2020 Ursula Poznanski zu widmen. Begegnungen mit ihr sind von einer besonderen Herzlichkeit geprägt. Sie beweist bei ihren Auftritten im Real Life und in den sozialen Medien Haltung und vertritt ihre Meinung konsequent. Sie ist Vorbild, wenn es darum geht, eine weltoffene Geisteshaltung zu kommunizieren. Ich war fasziniert von ihrem genialen Coup, ihren legendären Jugendthriller „Erebos“ nach zehn Jahren fortzusetzen. Die österreichische Vollblutautorin mit Bestsellergarantie hat auch in diesem Jahr noch ein heißes Eisen im Feuer. „Cryptos“ erscheint im August und entführt uns erneut in ein typisches und doch ganz neues Poznanski-Universum. Eine Welt danach. Eine Welt nach dem Klima-Kollaps und eine Welt, in der sich eine junge Frau in ihre digitale Welt gerettet hat. Die Weltendesignerin pflegt ihre virtuellen Lieblingsorte mit Hingabe, bis sich ein spektakuläres Verbrechen ereignet, das sie zum Handeln zwingt. Ich werde Lesen, hören und rezensieren. Und glaubt mir, ohne meine Sportschuhe werde ich mich „Cryptos“ nicht nähern.

Liebe Ursula. Ich danke sehr herzlich für die Bereitschaft, dem Kalender Frauen lieben Schreiben im Juli Gesicht und Löwenmähne zu verleihen.

August 2020

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Ihre literarische Jobdescription könnte facettenreicher nicht sein. Vergleichen wir ihr Schaffen mit der Musikwelt, fällt sofort der Begriff „Singer – Songwriter“ ins Auge, womit wir schon ganz nah dran sind an einer echten „Hybridin“ der Literaturszene. Sie ist ein „Writer – Bookseller“ in Reinstform. Petra Hartlieb ist nicht nur Erfolgsautorin, sie hat mit „Meine wundervolle Buchhandlung“ nicht nur den Jakobsweg bibliophiler Leidenschaft beschritten und vom steinigen Weg der Gründung einer Buchhandlung im Herzen von Wien erzählt, „Hartliebs Bücher“ hat sich inzwischen mit zwei Filialen zum Dreh- und Angelpunkt der Wiener Literaturszene gemausert. Buchhandlungen mit Flair, Lesungsorte, Tankstellen der gebundenen und ungebundenen Leidenschaft, Hotspot für Leseratten und Bücherwürmer von nah und fern. Die Multigenialität aus Kreativität und Unternehmergeist lässt sich kaum in Worte fassen. Petra Hartlieb trifft es am besten.

Sie schreibt in ihrem Jahreszeitenzyklus über das literarische Wien. Es ist Marie, das Kindermädchens im Haushalt von Arthur Schnitzler, dem wir hier durch eine ruhig anmutende, doch hochemotionale Erzählung folgen dürfen. Nur der „Herbst in Wien“ scheint noch zu fehlen, bis nach Winter, Frühling und Sommer jene Quatro Stagioni der österreichischen Metropole vollendet sind. Petra Hartlieb stellt sich jeder Challenge und musste in diesem Jahr in doppelter Hinsicht die Folgen der Corona-Krise erleben. Ihr Blog ist Wegweiser und Hoffnungsträger in dieser Situation. Sehr lesenswert, ihre Wegbeschreibung durch einen Doppelschlag ins Herz der Buchhändlerin und Autorin.

Der August ist Petra Hartlieb deshalb in doppelter Hinsicht gewidmet. Ich danke für ihre Bereitschaft, sich in die illustre Gesellschaft ihrer Kolleginnen aus der Welt der Literatur zu begeben. Und ich bin immer noch extrem dankbar für ein besonderes Outtake aus einem Interview, das ich wie einen kleinen Schatz hüte. Ein signiertes Buch hat seine eigene Geschichte. Man kann sie nachlesen. Hier. 

September 2020

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Judith End (1981 – 2012)

„Gott, was wäre ich ohne euch, die ihr mein Fluchtweg seid, mich entführt und einlullt mit eurer Phantasie und euren Worten. Mir Flügel schenkt, wann immer ich sie nötig brauche. Was wäre ich ohne eure Geschichten, die mich auffangen, bergen, nicht mehr loslassen. Solang ich lesen kann bin ich lebendig.“

Das ist eines meiner Lieblingszitate der Autorin, der ich den September in meinem literarischen Kalender „Frauen lieben Schreiben“ widme. Sie steht für mich hier nicht allein. Sie steht stellvertretend für alle Frauen, die Schicksalsschläge und schreckliche Diagnosen schreibend verarbeitet haben. Nicht, um Mitleid zu erzeugen, sondern eher um uns die Augen für das Schöne im Leben zu öffnen, um uns zu zeigen, was wirklich wichtig ist, und um das eigene Kämpferherz zu zeigen. Wichtige Botschaften hallen in diesen Erfahrungs- und Lebensberichten nach. Niemals aufgeben, Mut und Zuversicht nicht verlieren, sich weiter der Verantwortung für das eigene Leben und das Leben der Menschen im näheren Umfeld stellen. Eine Verantwortung, die man nicht teilen kann.

Judith End veröffentlichte 2010 ihr BuchSterben kommt nicht in Frage, Mama“. Sie schrieb über ihren Brustkrebs, die Auswirkungen dieser Diagnose auf ihren Alltag, über Ängste, Hoffnungen, Zweifel und den bewegenden Appell ihrer Tochter. Ihr Buch war sehr präsent in den Medien, Judith trat in Talkshows auf und gab auch mir damals ein Interview. Sie bezeichnete die Erkrankung als „Todesstrafe ohne Anhörung.“ Es ist viel Zeit vergangen, seit den positiven Signalen, die sie so optimistisch stimmten..

„Meine Immunabwehr ist nach wie vor nicht die beste, aber alles zusammen sind das nur Zipperlein mit denen ich ganz gut leben und einen normalen Alltag führen kann. Es geht mir gut. Ein herrlicher Satz!“

Ich konnte Judith nicht fragen, ob sie damit einverstanden ist, dem September ihr Gesicht zu verleihen. Sie starb am 20. Juni 2012. Sie hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Warum ich sie hier verewige? Sicher auch als Signal an alle, die sich mit der Liebe zur Literatur beschäftigen und diesem oder vergleichbaren Büchern ein Zuhause geben. Lasst sie nicht zur Momentaufnahme werden. Bleibt an der Seite der Menschen, die sich auf diese besondere Weise öffnen und vergesst sie nicht, wenn sich das letzte Kapitel ihres Lebensbuches für immer geschlossen hat. Danke Judith, für das Gefühl, dies hier schreiben zu dürfen. Meinen persönlichen Nachruf findet ihr hier.

Nachdenkliches – UnENDliches gegen den Lauf der Zeit 

Oktober 2020

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Heidi Rehn

Die studierte Germanistin und Historikerin hat ihre Wahlheimat München in den letzten Jahren immer mehr zum Deutschen Eck der Literatur werden lassen. Aus dem Zusammenfluss von Mosel und Rhein, an dem sie einst aufgewachsen ist, wurde immer mehr die beschauliche Isar, die sich durch ihre Romane schlängelt. Und das mit gutem Grund. Hier geht sie ihrer wahren Profession auf die Spur, beleuchtet die gravierenden politischen Umbrüche, die in Deutschland (und in hohem Maße in München) begannen und die Welt in Krieg und Verderben stürzten. Ihre Romane genießen noch kurz einen „Sommer der Freiheit“ vor dem Ersten Weltkrieg, um nach Kriegsende im „Tanz des Vergessens“ zu versinken und sich dem „Spiel der Hoffnung“ hinzugeben. Für Heidi Rehn wird der historische Kontext nie zur Kulisse ihrer Romane. Es ist umgekehrt. Ihr Schreiben zeigt die Auswirkungen der politischen Verwerfungen zu Beginn des längst vergangenen Jahrhunderts auf die kleinen Leute, die uns Lesern nahestehen.

Und Heidi Rehn schreibt nicht nur. Sie flaniert mit Lesern zu den Schauplätzen der Romane, die in München spielen. Ihre Spaziergänge sind inzwischen echter Kult in der Kulturmetropole an der Isar. Frei nach dem Motto: Mit Mark Twain zum Mississippi? Leider nicht möglich! Mit Ernest Hemingway nach Pamplona? Zu spät. Mit Jane Austen zum Landhaus von Mr. Darcy? Nein, echt nicht machbar. Aber: mit Heidi Rehn durch München? Jederzeit! Ich folgte der Schriftstellerin zu den Spuren ihres Romans Tanz des Vergessens. Die Radioreportage gehört noch heute zu meinen absoluten Highlights als „Radio-Aktiver“ Blogger. Hier kann man sie hören.

Das Schreiben von Heidi Rehn ist, wie ihre Haltung, niemals unpolitisch und doch immer unterhaltsam. Wenn sie in einem „Lichtspielhaus“ den Projektor bedient, wird aus einem Roman ein sozio-politisches Kaleidoskop seiner Zeit. Wenn sie die Tochter des Zauberers ins Feld führt, nähert sie sich Erika Mann als Exilkünstlerin in den USA an und lässt die Tochter von Thomas Mann schon 1936 gegen das Nazi-Regime in der Heimat ankämpfen. Biografische Stoffe liegen Heidi Rehn. Sie verwebt Geschichten zu Geschichte und umgekehrt. Sie recherchiert sich in die Tiefen der Epochen und in die Lebensumstände der Menschen hinein, die sie uns näherbringt. Heidi Rehn öffnet das Fenster zur Geschichte und ruft in aller Klarheit: „Nie wieder“, wenn es um Ideologie, Doktrin und Diktatur geht. Vom historischen Roman bis zum zeitgeschichtlich relevant erscheinenden Stoff, in ihrer literarischen Requisitenkammer wird man fündig. Danke für die schnelle Bereitschaft, in meinem Oktober das Fenster zu Dir öffnen zu dürfen.

November 2020

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Jennifer Benkau

Sie hat in den Jahren 2012 und 2013 ein Kunststück vollbracht, das mich seither zu einem treuen Weggefährten ihres Schreibens macht. Sie hat durch einen Verzicht mehr Leser gewonnen, als man es für möglich hielt. Jennifer Benkau hat in einer Phase, die von dystopischen Trilogien charakterisiert war, auf den Mittelband der Buchreihe „Dark Canopy“ und „Dark Destiny“ verzichtet und eine Dilogie auf den Buchmarkt gebracht, die eine ganz eigene und unverbrauchte Sprache etablierte. Seitdem ist die Autorin auf der Erfolgsspur. Es folgten himmelsferne Marmorküsse und weitere Romane, die ihre Leser begeisterten. Dabei war es oftmals nicht leicht, auch „Jungs“ wie mich davon zu überzeugen, dass ihre Romane eben keine Mädchenbücher sind. Ich weiß, wovon ich schreibe, denn ich wurde überzeugt.

Jennifer Benkau hat einige Stunden mit den Jugendlichen des Kinderheims „St. Alban“ telefoniert, die ich im Rahmen einer Lese- Patenschaft begleite, und ihnen in aller Nähe und mit viel Empathie gezeigt, dass Schriftstellerinnen greifbar sind. Ich traf sie auf Buchmessen und verfolgte ihren weiteren Weg. Eines ihre „geflügelten Worte“ habe ich nie vergessen. „Große Autoren lassen ihre Protagonisten an dem Punkt ziehen, an dem sie davon überzeugt sind, dass sie es von da an selbst schaffen können.“ Ihr Umgang mit ihrem „Personal wurde diesem Anspruch gerecht. Mit ihren beiden „ONE TRUE QUEEN-Büchern ist sie Stammgast auf den Bestsellerlisten und hier wird es auch weitergehen. Ende Februar erscheint HER WISH SO DARK und sie schreibe aktuell unter Hochdruck an der Fortsetzung HIS CURSE SO WILD. Und da kommt noch mehr. Sie selbst sagt dazu:

„…und wage ich mich dann noch einmal in die Königsdisziplin und schreibe das schwierigste, was man nur schreiben kann – das, was alles Handwerk und jeden Ideenreichtum komprimiert auf wenige Seite benötigt, die den anspruchsvollsten Leserinnen überhaupt vorgelegt werden. Ich schreibe wieder Kinderbücher!“

Ich drücke die Daumen und danke für die Bereitschaft, diesem November zu einem besonderen Monat zu machen. Folgt ihr auf Instagram und verpasst keine Neuigkeiten.

Dezember 2020

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Olivia Mae über Anne Frank

„Geboren zu einer Zeit, in der ihre Seele keinen Raum zum Fliegen finden konnte, vollbrachte sie das Wunder, alle Grenzen zu überwinden, Raum und Zeit hinter sich zu lassen und am Ende, fast wie zum Trotze, unsterblich zu werden.“

Heidi Rehn über Anne Frank

„Anne Frank zeigt uns, was Schreiben vermag: Welt zu (er-)fassen, ein Schicksal zu (er-)tragen und nie die Hoffnung zu verlieren, dass alles doch noch gut enden wird.“

Alex Beer an Anne Frank

„Kleine große Anne Frank.
Danke, dass Du Deine Gedanken und Träume mit der Welt geteilt hast. Deine Zeit war kurz, aber sie war von großer Bedeutung.“

Anne Frank – Die Schriftstellerin, die keine sein durfte

Mit Anne Frank (1929 – 1945) endet dieses Kalenderprojekt über Frauen, die das Schreiben lieben. Schon am ersten Tag war mir klar, dass ich den gesamten Kalender diesem jüdischen Mädchen widme, das ihre Liebe zur Literatur, ebenso wie das eigene Leben nicht leben durfte. Oft denke ich, was mit dem Tagebuch geschehen wäre, wenn sie den Holocaust überlebt hätte. Oft denke ich daran, was für eine Autorin Anne Frank wohl geworden wäre. Man sieht es am Ende ihres Tagebuches. Hier begann sie, ihren Text zu lektorieren und zu strukturieren. Aus dem Tagebuch sollte Literatur werden.

Ein Briefroman sollte es werden. In der Unmittelbarkeit der direkten Rede und in der persönlichen Ansprache an fiktive Menschen lag ihre Stärke. Sie, die seit Jahren keine Post mehr bekommen hatte, kompensierte in ihrem Schreiben nicht nur das Fehlen von sozialen Kontakten, sondern öffnete sich für alle Menschen, die in der Lage waren, sich in die Rolle der Adressatin dieser Briefe zu versetzen. Eine brillante Idee. Also blätterte sie in ihrem Manuskript zurück, strich allzu ungelenke und jugendliche Passagen, setzte einen Schlussstrich unter eine gerade aufkommende Liebesbeziehung und beginnt frei im Herzen und motiviert vom Radioaufruf den Roman ihres Lebens zu schreiben.

In knapp zweieinhalb Monaten verknappte sie ihr vorheriges Manuskript auf 215 Seiten, blieb dabei aber eng an den Texten, die sie für ihren Roman auswählte. Heute kann man dies an den Datumsangaben der Briefe ablesen, die sie ohne Änderungen in die Schlussfassung übernahm. Die Briefe an ihre Freundin, die den Kern ihres Romans bildeten, blieben Teil eines groß angelegten Tagebuches, das im Geheimen entstehen musste. Der Krieg spielt eine große Rolle, die Besetzung des Heimatlandes und die um sich greifende Entrechtung von Menschen. Jene äußere Bedrohungssituation wird zum geschlossenen Erzählraum, dem man sich nicht entziehen kann. Die Zeit schien Druck auf die junge Autorin auszuüben. Auch in der endgültigen Fassung des Romans wirken manche Briefe noch ein wenig ungelenk, aber sie verraten bereits jetzt viel vom Talent der aufstrebenden Nachwuchsautorin.

Das Hinterhaus“. Ihr Arbeitstitel für einen Roman, der uns an die Seite eines jungen Mädchens trägt, die in einem Versteck auf Befreiung hofft. Ein Mädchen, das umgeben von wenigen vertrauten Menschen in einem hermetisch verschlossenen Versteck in der täglichen Angst vor Entdeckung lebt. Ein klaustrophobischer Erzählraum, in dem es gilt Ruhe zu bewahren und unsichtbar zu bleiben. Hier öffnet die junge Autorin ihrer fiktiven Freundin ihr Herz und beginnt ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Wir erfahren auf die unmittelbarste Art und Weise alles, was in dieser lebensbedrohlichen Situation in dieser jungen Frau vor sich geht. Ängste, Zweifel, Hoffnung, Träume und Fantasien schlagen sich aus dem Versteck bis zu unseren Herzen durch und bleiben haften. Am Ende hat man das Gefühl, in einer Zeitschleife wieder am Anfang angelangt zu sein. Abrupt und unvermutet endet der Roman an der Stelle des Manuskripts, an der das Mädchen zum ersten Mal von der Idee schreibt, aus dem Tagebuch einen Roman zu extrahieren. 

Mittwoch 29. März 1944
Liebe Kitty,

Stell Dir mal vor, wie interessant es wäre, wenn ich einen Roman über das Hinterhaus herausbringen würde; allein vom Titel her würden die Leute denken, es sei ein Detektivroman. Aber jetzt im Ernst. Es muss ungefähr zehn Jahre nach dem Krieg schon komisch wirken, wenn wir erzählen, wie wir als Juden hier gelebt, gegessen und geredet haben. Auch wenn ich Dir viel von uns erzähle, weißt Du nur ein ganz kleines bisschen von unserer Geschichte.

Deine Anne

Ich lege euch meine Artikelserie zu Anne Frank ans Herz. Ich lege euch die Serie über das besetzte Holland ans Herz, weil Annes Schicksal nicht einzigartig war. Ich lege euch mein Schreiben „Gegen das Vergessen“ aller Opfer des Holocaust ans Herz. 

Wer dann immer noch denkt, sich selbst oder seine Tochter mit Anne Frank oder Sophie Scholl vergleichen zu dürfen, dem ist in diesem Leben auch nicht mehr zu helfen. Fragt euch nicht, was Anne oder Sophie euch erzählen würden.

Zum Schluss: Ich danke „meinen“ Calendar-Ladies für ein unvergleichliches Jahr.

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