Soul Beach – Frostiges Paradies von Kate Harrison

Soul Beach - Frostiges Paradies von Kate Harrison

Soul Beach – Frostiges Paradies von Kate Harrison

Der persönliche Umgang mit Verlust und Trauer stellt den Menschen immer wieder vor eine der größten Herausforderungen des eigenen Lebens. Wie weiterleben, wenn ein innig geliebter Mensch nicht mehr unter uns weilt? Wie einen eigenen Weg finden, der einerseits die Erinnerung nicht verblassen lässt, andererseits aber die Möglichkeit bietet, nicht in den Tiefen der Trauer zu versinken?

Und wie nur das Lächeln und die Unbeschwertheit aus der Zeit des DAVOR wiederfinden, um ein Leben DANACH führen zu können? Diese Fragen nagen und bohren in der Seele des Menschen, der zurückbleibt… in der Psyche des Hinterbliebenen wie eine tiefe schlecht heilende Narbe für immer sichtbar.

Was aber wenn der schmerzvolle Prozess des Loslassens die ersten Fortschritte zeigt und man als Trauernder vorsichtige erste Schritte zurück ins Leben macht, nur um plötzlich zu erleben, dass der Verstorbene selbst nicht loslassen kann und sich aus dem Nichts mit einer verzweifelten Bitte an den geliebten Menschen wendet, der für ihn die letzte Chance ist?

Soul Beach - Frostiges Paradies von Kate Harrison

Soul Beach – Frostiges Paradies von Kate Harrison

Alice ist erst gerade 16 Jahre alt, als ihre Schwester Meggie einem grausamen Verbrechen zum Opfer fällt und ermordet wird. Vier Monate ist dies nun her und es sind wohl die schlimmsten Monate im jungen Leben von Alice gewesen. Alle Phasen der tiefen Trauer hat sie durchlebt und schmerzlich erfahren, wie sehr die Familie unter dieser außergewöhnlichen Belastung zu zerbrechen droht. Alice hat sich verschlossen, schläft und träumt schlecht und auch ihre Freunde beginnen, den Zugang zu ihr endgültig zu verlieren.

Das Schlimmste jedoch ist, dass der Mörder ihrer Schwester noch auf freiem Fuß ist und es kaum verwertbare Spuren zum Täter gibt. Was kann schlimmer sein, als der Tod der eigenen Schwester? Was kann schlimmer sein, als das Gefühl, dass dieser Mord vielleicht niemals aufgeklärt wird? Was kann schlimmer sein, als die ständigen Ermittlungen der Polizei und die viel zu späte Beisetzung Meggies? Erst vier Monate nach dem Tod ihrer Schwester gibt die Rechtsmedizin den Leichnam frei.

Alice hofft so sehr, nach dieser Beerdigung mit vielem abschließen und ihre geliebte Schwester endlich loslassen zu können, um den Anschluss an das eigene Leben nicht zu verlieren. Alice hofft so sehr, dass die Familie an den Wunden nicht verzweifelt und sie wird niemals aufgeben, darauf zu hoffen, dass der Mörder zur Rechenschaft gezogen wird.

Doch dann geschieht das Unfassbare. Am Tag der Beerdigung erhält Alice eine E_Mail… von ihrer toten Schwester…

Soul Beach - Frostiges Paradies von Kate Harrison

Soul Beach – Frostiges Paradies von Kate Harrison

Alice hält die erste Mail für einen mehr als schlechten Scherz und vermutet, dass ihre Mitschüler ihr einen schlechten Streich spielen wollen, um sie aus der Lethargie zu wecken… oder viel schlimmer… es könnte ja auch der Mörder von Meggie sein, der nun mit Alice in Kontakt treten möchte. Alice antwortet und schnell stellt sich heraus, dass es nur Meggie sein kann, die ihr zurück schreibt. Zu viele vertraute und geheime Worte erreichen Alice… ein Irrtum ist ausgeschlossen. Meggie schreibt…

Doch statt weiterer Mails ihrer Schwester erhält Alice plötzlich eine geheimnisvolle E-Mail-Einladung zu einem virtuellen Besuch auf der Homepage von „Soul Beach“ – dem weltexklusivsten Netzwerk im Urlaubsstil. Der Text ist eindeutig: Die Einladung wird im Namen von Meggie ausgesprochen und nur auf diesem ganz persönlichen Weg ist es überhaupt möglich, Mitglied dieser geheimen Communitiy zu werden.

„Wir sehen uns am Strand“, die Geschäftsleitung, Soul Beach. Wo jeder Tag so schön ist wie der vorige.“

Alice loggt sich ein und kann ihren Augen kaum trauen. Sie befindet sich in einem virtuellen Jenseits… Und sie begreift schnell, dass Meggie tatsächlich tot, aber wie so viele andere „Seelen“, in dieser Zwischenwelt gefangen ist. Sie alle scheinen eine Gemeinsamkeit zu haben: Die Umstände ihrer Tode liegen im Verborgenen und der nächste Schritt im Jenseits kann erst getan werden, wenn das, weswegen man auf „Soul Beach“ gelandet ist, in der wirklichen Welt aufgeklärt wird.

Soul Beach - Frostiges Paradies von Kate Harrison

Soul Beach – Frostiges Paradies von Kate Harrison

Mit dem ersten Besuch am Strand der Seelen jedoch ist Alice von der morbiden Schönheit des Ortes gefangen. Keine Sorgen, keine Krankheiten und keine Makel scheinen hier das Glück der wartenden Seelen zu beeinträchtigen. Die Regeln für Besucher sind klar umrissen: Keine Fragen zur Vergangenheit, außer die Bewohner des Strandes sprechen selbst darüber. Alice wandelt wie in einem Computerspiel durch die Szenerie und kann nur von den Seelen gesehen werden, denen sie von ihrer Schwester vorgestellt wird.

Schnell bemerkt sie, dass der Ort nicht so schön ist, wie es die Illusion vorgaukelt. Keine Geräusche, keine Tiere, keine Veränderungen – Langeweile pur. Gefangen fühlen sich die Gäste des Strandes und nur Besucher können helfen, die Rätsel der Vergangenheit zu lösen, um den Weg ins endgültige Jenseits frei zu machen. Und da es die meisten Besucher nicht lange in dieser Unwelt aushalten und das Interesse verlieren ruhen alle Hoffnungen auf Alice.

Es beginnt ein turbulentes Spiel auf zwei Ebenen. In der wirklichen Welt versucht Alice den Mörder ihrer Schwester zu finden, auch wenn dies bedeutet, dass Meggie endgültig verloren gehen kann. Und zeitgleich versucht sie den jenseitigen Freunden von Meggie zu helfen, deren Seelen auch nach Erlösung rufen. Kann sie ihren Weg finden und gleichzeitig so viele Rätsel vergangener Leben lösen? Kann sie ihre Schwester befreien und den Mörder entlarven, der immer noch in Freiheit ist und wie kommt sie damit zurecht, dass sie für eine der Seelen mehr empfindet, als es eigentlich sein dürfte. Darf man sich in dieser Situation in einen toten Jungen verlieben und wo liegt die Erfüllung dieser Sehnsucht – in unserer Welt oder im Reich der Toten?

Ein gefährlicher Weg für Alice… vor allem, weil der Mörder ihrer Schwester sie beobachtet… sehr aufmerksam…

Soul Beach - Frostiges Paradies von Kate Harrison

Soul Beach – Frostiges Paradies von Kate Harrison

Kate Harrison entwirft in ihrem ersten Jugendbuch, dem Trilogie-Auftakt „Soul Beach (Loewe Verlag) ein frostiges Paradies mit viel Potential für die zu erwartenden Fortsetzungen. Alice befindet sich am Scheideweg ihres eigenen Lebens. Einerseits scheint der Tod seinen Schrecken zu verlieren und Alice beginnt sich immer mehr für den Strand und seine Gäste zu begeistern. Andererseits ist ihr bewusst, dass sie der allerletzte Brückenkopf dieser Verstorbenen im Reich der Lebenden ist und sie diese Hoffnungen nicht enttäuschen darf.

Mitten im Roman hielt ich es für wenig plausibel, dass Alice beginnt, die Probleme anderer Seelen mit der gleichen Energie zu lösen, wie es ihre tote Schwester Meggie eigentlich verdient hätte. Angesichts mehrerer tausend Übergangs-Toter am Strand könnte man auf diese Weise problemlos mehr als drei Bücher füllen, ohne auf den Punkt zu kommen. Ich wollte das Buch eigentlich beiseite legen, obwohl es spannend war, aber eigentlich auszuufern drohte.

Ich habe die Entscheidung, auf dem Strand zu bleiben nicht bereut. Ich hätte wohl eine der emotionalsten Sequenzen eines romantischen Jenseits-Romans verpasst, den ich jemals lesen durfte. Wie in jeder virtuellen Welt gibt es ein „nächstes Level“ und man sollte da sein, wenn Alice es erreicht. Und sie erreicht es nicht alleine. Wow… dieses Ende des ersten Teils der Trilogie hat mich berührt und dafür gesorgt, dass mein Leser-Handtuch am Strand liegen bleiben wird. Ich muss wissen wie es weitergeht.

Mit dem Täter, der Alice verfolgt…. mit ihrer Schwester Meggie, die auf Erlösung hofft und mit Alice selbst, die in einem finalen Moment des Erkennens endlich fühlen darf. Erstmals greift sie vor ihrem Computer nicht ins Leere, sondern… Ach, lest „Soul Beach – Frostiges Paradies“ doch selbst. Es lässt niemanden kalt. Versprochen.

Soul Beach - Frostiges Paradies von Kate Harrison

Soul Beach – Frostiges Paradies von Kate Harrison

Und genau an dieser Stelle geht es weiter mit dem zweiten Teil der Trilogie. „Soul Beach – Schwarzer Sand„… alles wird schlimmer… und der Mörder naht.

Auf nach Barcelona - Soul Beach - Schwarzer Sand - Ein Klick genügt...

Auf nach Barcelona – Soul Beach – Schwarzer Sand – Ein Klick genügt…

INFERNO – Zuviel des Guten, Mr. Brown

INFERNO - Dan Brown - Zuviel des Guten

INFERNO – Dan Brown – Zuviel des Guten

Empfehlung vorab:
Artikel und Buch bis zum Ende lesen… es wird überraschend!

Wir begeben uns mit den Thrillern rund um unseren legendären Symbolologen Robert Langdon ja nun nicht wirklich auf unbekanntes Terrain. Wir wissen um seine Fähigkeiten, haben sein eidetisches Gedächtnis schätzen gelernt und bewundern seit langer Zeit, dass er eigentlich gar keinem Romanfiguren-Klischee entspricht. Das macht ihn sympathisch und hat in den letzten Fällen, die er erleben musste dafür gesorgt, dass wir an seiner Seite blieben. Er war stets Handelnder, hatte für fast jede Frage eine Antwort und für jede versiegelte Tür einen plausiblen Schlüssel.

Bisher haben wir auch unserem genialen Autor Dan Brown vertraut, da er seinen Protagonisten zwar jeweils tief in den mysteriösen Schlamassel hineinschrieb, ihm aber immer wieder ein Schlupfloch ließ, aus dem er plausibel und meist auf der Grundlage seines Wissens entfliehen konnte. Aber nun liegt mit Inferno ein neuer Langdon Thriller vor, der mit allen Traditionen zu brechen scheint und aus den bekannten Mustern der Brown´schen Thrillerschmiede erheblich ausschert.

Das ist nun wirklich zuviel des Guten, was dem Leser hier zugemutet wird.

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Eine sinnlose Häufung purer Zufälle spült den amnesiegeplagten Robert Langdon in den Strudel einer multiplen Verwicklungsgeschichte und beraubt ihn dabei zum Teil der wichtigsten Fähigkeit. Sein Gedächtnis kann nur zwei Tage nicht reproduzieren… der Rest… vorhanden und unbeschadet. Es fällt schwer, einem Professor zu folgen, der sich einerseits nicht erinnern kann, warum er überhaupt in Florenz ist, andererseits aber seinen ausufernden „Ich erinnere mich–Passagen“ zu Geschichte und Geheimnissen der Stadt zu lauschen. Zuviel des Guten… wirklich…

Begleitet wird er von der wohl intelligentesten Frau der Welt. Doktor der Medizin Sienna Brooks. IQ von 212 und herausragendes Sprachtalent. Und doch scheint sie nur das zu wissen, was für die Story gerade wichtig ist. Sie spricht seltsamerweise kaum Latein, erkennt wesentliche medizinische Dinge wie historische Pestmasken oder das geheimnisvolle Biohazard-Symbol nicht (damit sind in jeder Arztpraxis zum Beispiel Behälter für benutzte Kanülen gekennzeichnet) und ist somit immer wieder auf die unmittelbare Hilfe unseres Helden angewiesen. Zuviel des Guten… wirklich…

Das Set wirft Fragen auf. Während der heillosen Flucht aus einer Klinik landen beide in Siennas „winziger“ Wohnung und doch befinden sich beide Akteure zur gleichen Zeit im Bad. Mr. Brown… wie viele Menschen passen in einer winzigen Wohnung gleichzeitig in ein Bad ohne sich zu begegnen…? Zuviel des Guten… aber echt…

INFERNO - Dan Brown - Florenz - Venedig - Istanbul

INFERNO – Dan Brown – Florenz – Venedig – Istanbul

Ein hochintelligenter Mega-Schurke beabsichtigt, ein Drittel der Weltbevölkerung durch einen künstlich erschaffenen Erreger auf natürlichem Wege, also biologisch zu vernichten, um so die Bevölkerungsexplosion und ihre Folgen zu heilen. Er sieht keine andere Wahl und ist getrieben von der Ausweglosigkeit seiner Situation. Kurz vor Vollendung seiner Tat begeht er Selbstmord, hinterlässt jedoch geheime Botschaften und Signale, Videos und Spuren, die es ermöglichen, seine finale Tat vielleicht zu verhindern! Das ist doch höchst unlogisch! Zuviel des Guten… wirklich…

Und es gesellen sich noch mehr Dinge hinzu, die es wirklich (bei aller vorzüglichen Spannung) manchmal schwer machen, alles zu glauben was man so liest. Die entführte Präsidentin der WHO wird von ihren Kidnappern in betäubtem Zustand quer durch die Stadt gefahren, während man Robert Langdon verfolgt… Mensch… die Frau ist prominent und jeder kann sie zusammengesackt im Fahrzeug sehen… wer macht denn so was? Zuviel des Guten… wirklich…

Und mittendrin unser teilzeitvergesslicher Robert, der sich am nicht vorhandenen Schopf aus allen Strudeln zu retten versucht, um seinerseits die Welt zu retten. Dante Alighieri dient mit seinen Schilderungen der Karte der Hölle als symbolisches Leitbild für die Lösung aller Geheimnisse. Je besser man seinen „Dante“ beherrscht, umso besser kommt man mit dem Inferno zurecht, das die Welt zu bedrohen scheint… Umfassend historisch, möchte man meinen.

INFERNO - Dan Brown - Dante Alighieri

INFERNO – Dan Brown – Dante Alighieri

Von Florenz nach Istanbul bis nach Venedig… per Flugzeug, Bahn und meist zu Fuß folgen wir atemlos einer ganzen Schar von Akteuren und die Rollen sind klar verteilt. Die Motive liegen auf der Hand und doch zweifeln wir von Seite zu Seite an unserer Wahrnehmung. Wir haben das doch alles so gelesen und, verflucht… wir sind extrem aufmerksame Leser… Und das hier ist nun wirklich zuviel des Guten, Mr. Brown…

Und über allem schwebt die Drohne eines Spezialisten-Teams, die alles beobachtet, jeden Schritt aufzeichnet und mit brummendem Geräusch über Florenz fliegt und nichts im Verborgenen lässt. Besonders nicht Robert Langdon… da hat er doch keine Chance… Zuviel des Guten….

ZUVIEL DES GUTEN… das sage ich mit bestem Grund… Es ist des Guten so viel!

Denn alle Bilder und Konstellationen, die sich uns Lesern ins Gehirn gebrannt haben… alles, was wir im rauschenden Fluss der Handlung zweifelnd bemerkt haben und jede Handlung der Akteure, die wir als wenig plausibel markiert haben, gehört zu einem großen Plan. Dem Plan eines der sensationellsten Schriftstellers, der jemals seine Hand an einen Thriller gelegt hat.

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ER hat die Drohne gesteuert und ER hat uns beobachtet. An manchen Stellen hat ER mich durch eine kleine Zeile abgelenkt… durch ein Geräusch… durch eine Figur und in einigen Kapiteln hat er mich mit der Nase auf kleine, scheinbar unauffällige Dinge gestoßen, die ich gar nicht hätten sehen sollen… so dachte ich. Er hat mit meiner Leser-Wahrnehmung gespielt… auf höchstem Niveau.

ZUVIEL DES GUTEN…

Im Sinne von „Viel zu gut…!“ Das sage ich mit gutem Grund, da nichts von dem was ich vermute und kritisiere dem entspricht, was der Autor tatsächlich geschrieben hat. Ich war zu aufmerksam und bin voll in seine infernalische Falle getappt. Brillant. Er präsentiert die wahren Zusammenhänge seiner Handlung, die wahren Gründe für alles Verborgene und lüftet jeden Schleier und lässt mich in den letzten Kapiteln des Romans nur noch staunen.

Die geniale Konstruktion macht alles klar, beseitigt jeden Zweifel und fördert einen Schurken zutage, den ich zwar zu kennen glaubte, den ich aber erst richtig erkenne, nachdem ich die Zeitabläufe und Zusammenhänge verstehe… und dies gleichzeitig mit Robert Langdon. Und es ist ein Schurke und eine unfassbare Tat, die so sehr von dem abweichen, was man lesend bisher kannte – glaubt mir einfach.

inferno dan brown_ spacere

Ich saß tief in der Falle des Dan Brown. Inferno.. so dachte ich, ist eine Häufung von kleinen und großen Fehlern und missverständlichen Zufällen. Selbst mich hat Dan Brown erwischt und man konnte gegen Ende des Buches deutlich hören, wie sehr sich die Schleier für mich lüfteten. Bei jedem einzelnen von ihnen klatschte ich mir die Hand vor den Schädel… glaubt mir – es handelte sich um einen anhaltenden und sich wiederholenden Lärm, so klar wurde alles.

Als Opfer dieses Romans verneige ich mich vor dem Autor. Das hat in dieser Tiefe noch niemand geschafft und ich erinnere mich gerne an eine Statue in Florenz, die Dan Brown mehrfach in Inferno erwähnt. Zwei Ringer im intensiven Kampf, wobei einer von beiden den anderen mittels eines festen Penisgriffs in seiner Gewalt hat. Ein tödlicher Griff.

Ich weiß, warum diese Statue im Roman vorkommt. Ich weiß, dass es ein Bild für Dan Brown und seine Leser ist. Und ich weiß wer hier wen bei den Eiern gepackt hat… und bevor Fragen aufkommen… keine Sorgen Mädels… euch geht es nicht anders… Dan Brown findet einen Weg.

LESEN – DURCHHALTEN – STAUNEN – INFERNO

INFERNO - Dan Brown - Fest im Griff

INFERNO – Dan Brown – Fest im Griff – LÜBBE VERLAG

Ein Jahr voller Wunder – Karen Thompson Walker

Ein Jahr voller Wunder - Karen Thompson Walker

Ein Jahr voller Wunder – Karen Thompson Walker

Zeit! Wie wichtig ist diese Lebensdimension für uns und wie sehr sind wir in ihrem Rhythmus gefangen? Das wird uns immer dann besonders deutlich vor Augen geführt, wenn wir beginnen, mit der Zeit zu spielen. Allein die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit zeigt uns in ihrer unnatürlichen Willkür, wie unser Körper auf den veränderten Ablauf reagiert. Doch dies ist nur ein Spiel… und es geht nur um eine Stunde… und wir spielen es nur mit unseren Uhren. Was wäre, wenn unsere Erde den Spieß umdrehen und damit beginnen würde, mit unserer Zeit zu spielen? Mit der Zeit, wie wir sie kennen.

Stellt euch vor, die Tage werden immer länger. Und dies nicht langsam, sondern innerhalb einer Nacht um genau 56 Minuten… Tendenz deutlich steigend. Berechnete Sonnenauf- und Untergangszeiten gehen weit an der erlebten Wirklichkeit vorbei. Und stellt euch dann vor, was in euren Köpfen vorgeht, wenn internationale Experten an die Öffentlichkeit gehen und statt einer Ursache nur die Symptomatik beschreiben können. Verlangsamung der Erdrotation heißt das Zauberwort jener Tage. Eine Katastrophe für die gesamte Menschheit zeigt sich am heller werdenden Nachthimmel und den dunklen Stunden des Tages… Jedenfalls wenn man wie gewohnt daran festhält, sich am 24-Stunden-Rhythmus zu orientieren.

Gefühlte Zeit stimmt nicht mehr mit angezeigter Zeit überein. Der Lebensrhythmus geht verloren – die Balance gerät in eine deutliche Schieflage und der Mensch reagiert, wie er in solchen Situationen zu reagieren pflegt. Die EINEN reden den Weltuntergang herbei – die ANDEREN halten sklavisch an ihrer „Uhrenzeit“ fest und versuchen die Realität zu verdrängen und wieder ANDERE wollen sich den geänderten Bedingungen anpassen: Uhren weg und leben nach dem Stand der Sonne. Die Menschen beginnen sich voneinander zu entfernen, ungeachtet der Bemühungen einzelner Regierungen, die 24-Stunden-Uhrenzeit weiterhin als Standard festzulegen, nach der sich das öffentliche Leben in Geschäften, Behörden und Schulen zu richten hat.

Ein Jahr voller Wunder - Karen Thompson Walker

Ein Jahr voller Wunder – Karen Thompson Walker

„Es war wie ein Spuk: zwei Zeitdimensionen, die ein und denselben Raum einnahmen.“

Die Tage wachsen stetig an… sie dauern nach altem Maßstab 30 Stunden, bald 40 und erreichen Dimensionen, die ein Leben nach Sonnenlicht unmöglich machen. So lange kann niemand wach bleiben… Der Mensch kommt an seine existenziellen Grenzen… in aller Komplexität. Die Erde selbst steht vor dem ultimativen Kollaps. Die Schwerkraft verändert sich und da alles spürbar intensiver der Erdanziehung unterliegt, erkranken die Menschen in immer größerer Zahl. Die Schwerkraftkrankheit gesellt sich zur Angst und wird Wegbegleiter der Verzweiflung.

Julia ist 12 Jahre als alles beginnt. Ein ziemlich beschauliches junges Leben im sonnigen Kalifornien. Und doch zeigen sich erste Risse in der jungen Familie. Die Eltern scheinen sich voneinander zu entfernen… Schritt für Schritt und auch für Julia wird es täglich schwieriger, im Strudel sich verändernder Freundschaften so richtig Fuß zu fassen. Und dann verlangsamt sich alles… schlagartig! Und mit der Verlangsamung der Erdrotation beschleunigt sich die Entwicklung des jungen Mädchens. Paradox…

Alle Probleme schreien gleichzeitig nach Bewältigung – das Umfeld zeigt deutliche Auflösungserscheinungen und ihre Freundinnen sortieren sich ebenfalls in das EINE oder ANDERE Lager. Und wie soll man jemanden treffen, der in einer anderen Zeitzone, aber nur auf der anderen Straßenseite lebt? Und was soll sie davon halten, dass ihr ach so vielbeschäftigter Vater ständig bei einer jungen Nachbarin ein- und ausgeht während er eigentlich arbeiten sollte?

Ein Jahr voller Wunder

Ein Jahr voller Wunder – Karen Thompson Walker

Was geschieht mit einer Familie, wenn die Welt um sie herum zu kollabieren beginnt? Wer kann wen auffangen, wenn die Balance verloren geht und wie soll ein Kind Sicherheit empfinden, wenn neben dem irdischen auch das familiäre Gefüge langsam zerbricht? Und was, wenn ein junges Mädchen sich zum ersten Mal verliebt – in genau jenen Zeiten, die so zeitlos sind, dass diese Gefühle zur absoluten Unzeit in ihr zu wachsen beginnen…?

Kann sich eine Familie der Verlangsamung der Erde widersetzen indem sie ihren eigenen Zusammenhalt beschleunigt? Oder gerät man selbst in den Sog und teilt sich auf… in den EINEN oder ANDEREN Teil der Familie? Über 60 Stunden dauern die natürlichen Tage inzwischen: fast zwei Tage Dunkelheit, gefolgt von zwei Tagen Licht, als Julia zum ersten Mal in ihrem jungen Leben loslassen muss… Es wird nicht der letzte Verlust sein!

Karen Thompson Walker gelingt mit ihrem Endzeit-Roman „Ein Jahr voller Wunder“ (btb) die brillante Schilderung einer sich täglich beschleunigenden Naturkatastrophe, die selbst Wissenschaftlern unerklärlich bleibt. Die Beschreibung der direkten Folgen dieses Szenarios ist so packend, nachvollziehbar und anschaulich, dass man unweigerlich an die fundierte wissenschaftliche Seite der großen Romane von Frank Schätzing denken muss. Als Leser wird man sensibel für jede ruhige Minute, die geregelt verläuft und man freut sich an jedem Morgen, wenn zur vorhergesagten Zeit die Sonnenstrahlen das Firmament erhellen.

Ein Jahr voller Wunder - Karen Thompson Walker

Ein Jahr voller Wunder – Karen Thompson Walker

Julias Geschichte gewährt den tiefen individuellen Blick auf ein Einzelschicksal in diesen extrem verlangsamten Zeiten. Der sich verändernde Tagesablauf, die Unsicherheit angesichts der konfusen Umweltsituation und die Auswirkungen des Geschehens auf Familie, Freunde und ihre erste große Liebe bleiben im Gedächtnis haften. Allerdings bremst die Autorin auch durch die gewählte Erzählperspektive die unmittelbar aufkommende Spannung ein wenig aus.

Julia erzählt ihre Geschichte mit einem zeitlichen Abstand von 10 Jahren zum Beginn der Katastrophe. Sätze wie „Später sollten wir erfahren, dass dies erst der Anfang war“ oder „Erst später sollte ich diese Veränderung als etwas anderes begreifen“, machen jedem Leser klar, dass Julia und mit ihr die Erde nicht unmittelbar vom Untergangsszenario bedroht ist und trotz der geschilderten Ausweglosigkeit scheinbar noch viel natürliche Zeit bleibt. Diese Sätze wirkten oftmals wie eine Bremse an den Punkten, an denen die Story so richtig an Fahrt aufnehmen wollte.

Wenn man am Ende des Romans angelangt ist, erschließt dich die Plausibilität dieser Perspektive und doch hätte man sich an mancher Stelle eher den ungefilterten Eindruck der jungen Julia gewünscht, als die durch Weitsicht und Wissen deutlich gereifte Sichtweise einer Frau, die nun in einer Rückschau ihre Kindertage rekapituliert. Aber dies ist nur unser Gefühl… ein gemeinsames wohl, aber das kann von Leser zu Leser unterschiedlich sein und die Perspektive mag als Stilmittel völlig unterschiedlich aufgefasst werden.

Ein Jahr voller Wunder - Karen Thompson Walker

Ein Jahr voller Wunder – Karen Thompson Walker

Worüber wir aber gerne reden würden ist die Frage des Buchtitels. Die Verlangsamung entfernt die Menschheit Schritt für Schritt von allen bisher vollbrachten Wundern. So steht es auch im Text geschrieben. Wissenschaftliche und soziale Leistungen der Menschheit verblassen im Angesicht des drohenden Untergangs. Gemeinschaften zerfallen und Rettungsschirme sind nicht in Sicht. Der Mensch hat sich seinem Schicksal zu ergeben. Bedingungslos.

Wir haben kein Wunder entdeckt, auf das sich der Titel beziehen könnte. Kein einziges. Allzu romantisch und irreführend ist diese Titel-Wahl für einen Roman, der ein apokalyptisches Endzeitszenario in wissenschaftlicher Präzision brillant erzählt. „Verlangsamung“… diesen Roman-Titel hätten wir verstanden. Aber „Ein Jahr voller Wunder“ war für uns ein Jahr voller Katastrophen, voller Schicksalsschläge, voller Zusammenbrüche – ein Jahr der Endzeitstimmung und der menschlichen Unzulänglichkeiten. Ein Jahr ohne Lichtblick – gänzlich ohne! Aber bitte kein Jahr, das mit diesem positiv geprägten Begriff in Verbindung zu bringen ist.

Wir sind trotzdem sehr froh, diesen Roman gelesen zu haben. Unvergessliche Bilder haben sich tief verankert und wir gehen bewusster mit dem Selbstverständlichen um. Der tiefe ökologische Aspekt macht diesen Roman zu einem interessanten und wichtigen Buch. Lernt zu schätzen, was wir haben und bewahrt es… die Erde dreht sich nicht wegen uns… und wenn sie sich aus welchen Gründen auch immer verlangsamen sollte, dann nur um gegen die Beschleunigung ihrer Zerstörung durch den Menschen anzukämpfen!

Ein Jahr voller Wunder

Ein Jahr voller Wunder – Karen Thompson Walker

„Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet“ – Vorhang auf

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Hereinspaziert

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Hereinspaziert

Wir lieben unsere literarischen Zeitreisen und lassen uns immer wieder gerne von Autoren in längst vergangene Epochen entführen. Wir lieben es, zu fühlen, zu erleben, zu ertasten und letztlich auch zu erkennen, warum bestimmte Geschichten sich nur zu bestimmten Zeiten ereignen konnten. Wir möchten dabei sein… mit Haut und Haaren… mit voller Leidenschaft.

Das Jahr 1913 mit seinem Sommer des Jahrhunderts haben wir tief in unsere Herzen geschlossen und die Einladung des Dresdner Buchverlages, uns gemeinsam mit dem Schriftsteller Michael Braun in das Jahr 1923 zu begeben, war einfach zu verlockend. Was hat sich wohl in 10 Jahren verändert, wie hatte man den Ersten Weltkrieg überstanden und was würde uns in Dresden erwarten? Die Freude war riesig, als wir endlich den Hauch eines neuen Jahres erfühlen durften, auch wenn es aus heutiger Sicht schon 90 ist.

Doch was war das…? Eine unfassbare wirtschaftliche Krise hatte Deutschland fest im Griff. Inflation hieß das Schreckgespenst des Alltags. Die Preise stiegen ins Unermessliche und der Wert des Geldes verfiel zusehends. Ein Laib Brot für ein paar Millionen Reichsmark – unvorstellbar. Und der kleine Mann auf der Straße wusste von Stunde zu Stunde nicht, wie er die nächsten Minuten überleben sollte. Das Nachkriegsdeutschland – bis zum Hals verschuldet bei den Siegermächten… am Boden liegend… perspektivlos… Depression.

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Inventur

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Wertloses Geld

Wäre da nicht eine aufrecht kämpfende Frau, die sich der mit Macht des großen Entertainments gegen die dunkle Seite in den Gedanken der Menschen stellte. Madame Katharina Jakublonski… jene große Jakublonski… die Directrice des nach ihr benannten Monstrositäten-Cabinets kämpfte um das Wohlwollen des Publikums und gastierte mit ihrer illustren Compagnie in den bedeutendsten Städten des Landes.

Aber an diesem Neujahrstag sieht man sie verzagt in ihrem kleinen Hotelzimmer sitzen. Inventur ist angesagt und es wird sich weisen, ob die Zukunft der Freak-Shows bereits der Vergangenheit angehört, oder ob es ihr wieder einmal gelingt, ihre Truppe über Wasser zu halten. Wäre doch gelacht, bei ihrem Kampfgeist und Improvisationstalent. Das muss zu schaffen sein… vor allem in Anbetracht ihres Personals:

Jeder Einzelne eine Sehenswürdigkeit, jeder Einzelne eine große Nummer und das gesamte Ensemble in seiner abnormen Andersartigkeit unvergleichbar mit den sonstigen Fluchten aus dem Alltag. Und doch… Die Einnahmen schrumpfen und der Unterhalt der vielköpfigen Schar verschlingt mehr als das Eintrittsgeld in die Kassen der Truppe spült. Der Todesstoß für das Unternehmen… wäre da nicht Madame Jakublonski… und wäre da nicht eine magische Begegnung mit einem ganz besonderen Mann und geschähe nicht plötzlich ein kleines Wunder in einer der Vorstellungen…..

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Die Compagnie

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Die Compagnie

DER MANN… Ein Forscher, könnte man fast sagen… Joseph Anton Kartiganus – Leiter der anatomischen Fakultät der Universität Jena… ein Gelehrter sollte man meinen…! Ein rechtschaffener Rechtsmediziner, der vom rechten Weg der Wissenschaft gar heftig abgebogen ist, da auch für ihn die Zeiten mehr als schwierig sind. Er sucht Nachschub, je ausgefallener je besser und doch stößt er bei Madame auf taube Ohren, als er ihr eindeutig zweideutige Angebote macht… für die Schlange… für die Zwillinge… die Rechtsmedizin müsse doch die Studenten versorgen. Und als er gänzlich erfolglos das Feld räumen muss bleibt ihm noch ein Versuch. Auch normale Körper würde er kaufen… besser als nichts, aber eigentlich wären ihm Abnormitäten irgendwie lieber.

DAS WUNDER…: Ein weiterer Mann.. ein sehr wohlhabender Mann aus den Staaten.. steinreich… und mausetot… das Herz muss es gewesen sein, während einer Vorstellung und eigentlich ist es ein Fall für die Polizei. Aber da kommt Madame ein blitzgescheiter Gedanke. Warum eigentlich nicht…? Für einen nicht unerheblichen Geldbetrag… und er ist ja schließlich bereits verschieden… Ein Wunder wie gesagt. Sie kann doch nichts dafür… Eigentlich. Und da ist das letzte Angebot von Kartiganus und die Zeiten sind schlecht… also warum nicht?

Und so wechselt ein eben frisch Verstorbener den Besitzer – ganz zum Wohle der hungernden Compagnie, die ein paar Tage schlemmen und feiern kann. Ungewohnter Wohlstand. Doch er hält nicht lange an und Madame wäre nicht Madame, wenn sie nicht irgendwie Blut geleckt hätte. Zwar sterben nicht viele Zuschauer in den Vorstellungen, aber da kann man doch ein wenig… nachhelfen vielleicht… nur ein wenig…

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Das Wunder

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Das Wunder

Leichenhandel und Mord – sicherlich unschöne Formulierungen… vor allem in Anwesenheit von zwei Polizeiinspektoren, die der Truppe auf die Schliche kommen und auf ihre ganz eigene Art und Weise die Ermittlungen aufnehmen… Eine rasante Verfolgungsjagd beginnt… spurlos untertauchen möchte Madame (na klar – kein Problem mit Monstrositäten im Gefolge) – ans Licht der Welt zerren möchten sie die Polizisten….

Eine turbulente Reise nimmt ihren Lauf und die Truppe hält in diesen Zeiten wie Pech und Schwefel zusammen, bis eines Tages das Unfassbare geschieht… in Italien… das Elefantenbein der Elefantenfrau beginnt zu heilen und die Künstlerin droht ihren Wert zu verlieren. Keine Attraktion mehr… Wertlos… Außer… Kartiganus…. Nein – undenkbar… denken wir! Madame wird doch nicht…? Wird sie?

Michael Braun ist mit seinem neuen Roman Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet ein für die heutige Zeit außergewöhnliches Buch gelungen. Seine Sprache versetzt die Leser in präziser Wortwahl, geschliffenem Ton und der einzigartigen Melodie der Erzählung zurück in jenes Jahr 1923. Sein Sprachwitz gepaart mit seinem ganz eigenen schwarzen Humor, der von Seite zu Seite an Schwärze zunimmt, lässt eine atmosphärische Dichte entstehen, die seinem Roman Tempo und Schwung verleiht.

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Michael Braun

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Michael Braun

Die Monstrositäten verlieren von Seite zu Seite ihre Abnormität und wachsen dem Leser ans Herz. Selbst Madame wächst ans Herz… auch an jenen Stellen, an denen sie sich am Herzen anderer vergreift. Sie tut dies nicht für sich selbst. Sie ist die Mutter ihrer Compagnie, für die sie alles geben würde und letztlich auch gibt. Es ist eine ganz eigene Welt, in der wir zu Gast sein dürfen. Margrit Schriber hat uns bereits vor Jahren mit Die hässlichste Frau der Welt in das Metier der Freak-Shows eingeführt und oft mussten wir beim Lesen an ihren gefühlvollen Roman über das Schicksal Julia Pastranas denken.

Michael Braun gelingt es im Zusammenwirken mit dem Dresdner Buchverlag erneut, uns für jene Zwischenwelt des Absurden zu begeistern. Er verleiht seinen Protagonisten Tiefe und Individualität. Er macht sich nicht über sie lustig… er macht sich mit ihnen gemeinsam über die normale Welt lustig. Die Compagnie ringt der monströsen politischen und gesellschaftlichen Situation durch ihre eigene Monstrosität eine Seite ab, die in ihrer satirischen Skurrilität die Frage aufwirft, wer in diesen Zeiten eigentlich wirklich normal war. Die Anderen oder die Freaks?

Wir stehen auf der Seite der Freaks… Michael Braun sei Dank für die tiefen Einblicke in die menschlichen Abgründe in Zeiten der Not… und vielen Dank für die ungezählten köstlichen Stunden des verschmitzten, schadenfrohen, hemmungslosen und heimlichen Lachens, die er uns beschert hat. Und über allem haben wir gefühlt und mit gelitten… mit jedem Einzelnen.

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Eintritt frei

Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet / Eintritt frei

Kauft euch schnell eine Eintrittskarte und besucht mit „Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet“ die Vorstellung eures Lebens – und passt auf euch auf, es könnte selbiges kosten 😉

Goliath – An Bord der Leviathan bis zum Ende der Trilogie

Leviathan - Behemoth - Goliath - Eine Trilogie

Leviathan – Behemoth – Goliath – Eine Trilogie

Logbuch des Luftschiffs seiner Majestät “Leviathan / 750ster Tag

Mein Name ist Mr. Rail. Eigentlich gehöre ich ja überhaupt nicht zur Besatzung der Leviathan, aber eigentlich ist auch in diesen wirren Zeiten nichts so wie es sein sollte und es war ein Leichtes für mich, an Bord zu gelangen. Vor mehr als zweieinhalb Jahren betrat ich erstmals die Brücke des gewaltigen Luftschiffs. Aufgefallen bin ich nicht und da in der Folge der turbulenten Ereignisse jeder Mann gebraucht wurde, habe ich mich überall ein wenig nützlich gemacht und war sozusagen als „Blinder Passagier“ Zeuge der Ereignisse.

Der offizielle Chronist der Reise heißt Scott Westerfeld und seine Aufzeichnungen haben zum Ende des Abenteuers den Umfang von drei dicken Büchern namens „Leviathan“, „Behemoth“ und schließlich Goliath erreicht. Aus einer geheimen Aktion wurde seit der Veröffentlichung dieser Berichte Allgemeingut und dank des herausragenden Illustrators Keith Thompson kann sich heutzutage jeder ein Bild von der geheimen Mission machen. Aber ich war dabei und kann berichten, ob sich alles so zugetragen hat, wie es in den Logbüchern geschrieben steht.

Ich war dabei…. an Bord der Leviathan!

An Bord der Leviathan - Illustration © Keith Thompson

An Bord der Leviathan – Illustrationen © Keith Thompson

Ich habe den österreichischen Prinzen Aleksandar kennengelernt. Den jungen Thronfolger, dessen Eltern in Sarajewo ermordet wurden und der seitdem darunter leidet, dass dieser Mord auch noch als Ursache für den großen Krieg herhalten muss. Prinz durfte ich nicht zu ihm sagen… Er war auf der Flucht und wollte absolut unerkannt bleiben. Nur ein Ziel trieb ihn an: den unsäglichen Krieg zu beenden und den Namen seiner Familie von dieser Schuld reinzuwaschen. Wir teilten dieses Geheimnis.

Ich habe Deryn getroffen… Einen jungen Kadetten an Bord der Leviathan. Einen aufstrebenden jungen Offizier in Reihen der britischen Luftwaffe – begeistert vom Fliegen – magisch angezogen von der Leviathan und… ja… und… auch nicht ohne Geheimnisse. Nur Männer dürfen fliegen in jenen Tagen. Nur Männer dürfen kämpfen. Aber Deryn ist alles andere als ein Mann und unter der rauen Oberfläche und hinter den von Männerarbeit schwieligen Händen steckt ein junges Mädchen, das seinen Mann stehen will… in der Tradition ihres Vaters. Auch dieses Geheimnis teilte ich… sehr lange.

In den Schweizer Alpen führten ihre Wege zusammen. Aleksandar floh vor seinen Verfolgern an Bord der Leviathan und seit diesem Moment waren er und Deryn Freunde fürs Leben. Gemeinsam zogen sie in einen großen Krieg. Es ist ein Krieg der Systeme und der Anschauungen. Die Welt ist streng unterteilt in Mechanisten und Darwinisten. Die Kampfmaschinen der einen Seite tragen ihren Namen zu Recht – sie sind bis zum Rand hochtechnisierte deutsche Wunderwerke. Die Waffen der britischen Darwinisten jedoch leben. Sie sind gezüchtet für ihre Mission und auch die Leviathan ist letztlich nichts anderes als ein fliegender Wal, der sein Treibgas selbst produziert.

Die Stunde der Wahrheit für Deryn und Aleksandar

Die Stunde der Wahrheit – Deryn und Aleksandar (Illustrationen: K. Thompson)

Die erste gemeinsame Mission führte sie ins Osmanische Reich. In Konstantinopel wurde die junge Freundschaft auf eine harte Probe gestellt und in einem großen Abenteuer beweisen sie einander, dass sie aufeinander zählen können. Immer.

Für Aleksandar ein Privileg. Endlich einen guten Freund zu haben… Für Deryn eine bald unerträgliche Belastung, da sie unglücklich zu lieben beginnt. Einen Thronfolger, der unerreichbar weit über ihr steht. Sie spielt ihre Rolle weiter… sogar als die lebendige britische Geheimwaffe Behemoth in den Kampf eingreift. Sie steht ihren Mann, obwohl sie gar keiner mehr sein möchte… zumindest nicht, wenn sie Aleksandar neben sich fühlt.

Goliath - Die Leviathan vor Amerika... endlich

Goliath – Die Leviathan vor Amerika… endlich

Und nun erreichen wir endlich Amerika. Am Ende aller Abenteuer tobt der Krieg noch immer und täglich sterben tausende Unschuldige in Europa. Ist es „Goliath“, die Wunderwaffe eines Forschers, die in der Lage ist dem Massensterben ein Ende zu setzen? Und um welchen Preis kann dies gelingen? Wie kann eine todbringende Waffe den Frieden bringen?

Aleksandar und Deryn stolpern Seite an Seite der Entscheidung entgegen und werden im Mahlstrom der Geschichte fast aufgerieben. Und kommt was kommen musste… Deryn verrät sich und Aleksandar muss zum ersten Mal einer Frau in die Augen schauen, die ihn aufrichtig liebt.

Verliert er einen Freund oder gewinnt er die Liebe eines Lebens? Erreichen beide ihr Ziel, den Krieg zu beenden oder versagen sie angesichts der Urgewalt von Goliath? Ich weiß es, aber ich trage auch dieses Geheimnis in mir. Auf mich können sich die Beiden verlassen – mich haben sie nicht verloren.

Scott Westerfeld - Eine traumhafte Trilogie

Scott Westerfeld – Eine traumhafte Trilogie – CBJ Verlag

Scott Westerfeld hat eine absolute Traum-Trilogie zu einem Traum-Ende gebracht. Protagonisten und Handlungsstränge aus einem einzigen lebendigen Guss (Mechanisten-Darwinismus eben), ein Krieg voller Metaphern, die in ihrer Steam-Punk-Dynamik so bestechend sind, das man kaum Worte findet und ein Spannungsbogen, der ohne Unterbrechung den klaren Plan eines Autors verrät, der jederzeit seinen Roman im Griff hatte.

Unfassbar plastisch illustriert von Keith Thompson ist dies wohl eine der herausragendsten Mehrteiler der letzten Jahre. Ein All-Age-Fantasy-Real-Mix, der in jedem einzelnen Buch der Trilogie begeistert. Die bildliche Aufteilung der Welt in Mechanisten und Darwinisten macht nachdenklich und beklommen, da dieses Bild so viele Anspielungen enthält, die jene großen Kriege von einst so treffend charakterisieren.

Ich war stolzes Crew-Mitglied der Leviathan. Ich habe mich über drei Bücher hinweg in der Tradition eines Jules Verne als Teil von etwas Großem empfunden. Ich war dabei… bis zum letzten Augenblick… bis zu jenem Moment, in dem Deryn und Aleksandar selbst zur tragenden Metapher für etwas werden, das wir ganz profan Liebe nennen…. In Goliath ist es mehr… Es ist größer.

Goliath - Die Stunde der Wahrheit - CBJ Verlag

Goliath – Die Stunde der Wahrheit – CBJ Verlag

Werdet Teil der Reise. Die Logbücher sind erschienen. Aber macht euch darauf gefasst, dass auch ihr nicht so schnell von Bord gehen könnt. Die Leviathan ist für mich eine Metapher für gutes Lesen – und das wird sie ewig bleiben!