Der persönliche Umgang mit Verlust und Trauer stellt den Menschen immer wieder vor eine der größten Herausforderungen des eigenen Lebens. Wie weiterleben, wenn ein innig geliebter Mensch nicht mehr unter uns weilt? Wie einen eigenen Weg finden, der einerseits die Erinnerung nicht verblassen lässt, andererseits aber die Möglichkeit bietet, nicht in den Tiefen der Trauer zu versinken?
Und wie nur das Lächeln und die Unbeschwertheit aus der Zeit des DAVOR wiederfinden, um ein Leben DANACH führen zu können? Diese Fragen nagen und bohren in der Seele des Menschen, der zurückbleibt… in der Psyche des Hinterbliebenen wie eine tiefe schlecht heilende Narbe für immer sichtbar.
Was aber wenn der schmerzvolle Prozess des Loslassens die ersten Fortschritte zeigt und man als Trauernder vorsichtige erste Schritte zurück ins Leben macht, nur um plötzlich zu erleben, dass der Verstorbene selbst nicht loslassen kann und sich aus dem Nichts mit einer verzweifelten Bitte an den geliebten Menschen wendet, der für ihn die letzte Chance ist?
Alice ist erst gerade 16 Jahre alt, als ihre Schwester Meggie einem grausamen Verbrechen zum Opfer fällt und ermordet wird. Vier Monate ist dies nun her und es sind wohl die schlimmsten Monate im jungen Leben von Alice gewesen. Alle Phasen der tiefen Trauer hat sie durchlebt und schmerzlich erfahren, wie sehr die Familie unter dieser außergewöhnlichen Belastung zu zerbrechen droht. Alice hat sich verschlossen, schläft und träumt schlecht und auch ihre Freunde beginnen, den Zugang zu ihr endgültig zu verlieren.
Das Schlimmste jedoch ist, dass der Mörder ihrer Schwester noch auf freiem Fuß ist und es kaum verwertbare Spuren zum Täter gibt. Was kann schlimmer sein, als der Tod der eigenen Schwester? Was kann schlimmer sein, als das Gefühl, dass dieser Mord vielleicht niemals aufgeklärt wird? Was kann schlimmer sein, als die ständigen Ermittlungen der Polizei und die viel zu späte Beisetzung Meggies? Erst vier Monate nach dem Tod ihrer Schwester gibt die Rechtsmedizin den Leichnam frei.
Alice hofft so sehr, nach dieser Beerdigung mit vielem abschließen und ihre geliebte Schwester endlich loslassen zu können, um den Anschluss an das eigene Leben nicht zu verlieren. Alice hofft so sehr, dass die Familie an den Wunden nicht verzweifelt und sie wird niemals aufgeben, darauf zu hoffen, dass der Mörder zur Rechenschaft gezogen wird.
Doch dann geschieht das Unfassbare. Am Tag der Beerdigung erhält Alice eine E_Mail… von ihrer toten Schwester…
Alice hält die erste Mail für einen mehr als schlechten Scherz und vermutet, dass ihre Mitschüler ihr einen schlechten Streich spielen wollen, um sie aus der Lethargie zu wecken… oder viel schlimmer… es könnte ja auch der Mörder von Meggie sein, der nun mit Alice in Kontakt treten möchte. Alice antwortet und schnell stellt sich heraus, dass es nur Meggie sein kann, die ihr zurück schreibt. Zu viele vertraute und geheime Worte erreichen Alice… ein Irrtum ist ausgeschlossen. Meggie schreibt…
Doch statt weiterer Mails ihrer Schwester erhält Alice plötzlich eine geheimnisvolle E-Mail-Einladung zu einem virtuellen Besuch auf der Homepage von „Soul Beach“ – dem weltexklusivsten Netzwerk im Urlaubsstil. Der Text ist eindeutig: Die Einladung wird im Namen von Meggie ausgesprochen und nur auf diesem ganz persönlichen Weg ist es überhaupt möglich, Mitglied dieser geheimen Communitiy zu werden.
„Wir sehen uns am Strand“, die Geschäftsleitung, Soul Beach. Wo jeder Tag so schön ist wie der vorige.“
Alice loggt sich ein und kann ihren Augen kaum trauen. Sie befindet sich in einem virtuellen Jenseits… Und sie begreift schnell, dass Meggie tatsächlich tot, aber wie so viele andere „Seelen“, in dieser Zwischenwelt gefangen ist. Sie alle scheinen eine Gemeinsamkeit zu haben: Die Umstände ihrer Tode liegen im Verborgenen und der nächste Schritt im Jenseits kann erst getan werden, wenn das, weswegen man auf „Soul Beach“ gelandet ist, in der wirklichen Welt aufgeklärt wird.
Mit dem ersten Besuch am Strand der Seelen jedoch ist Alice von der morbiden Schönheit des Ortes gefangen. Keine Sorgen, keine Krankheiten und keine Makel scheinen hier das Glück der wartenden Seelen zu beeinträchtigen. Die Regeln für Besucher sind klar umrissen: Keine Fragen zur Vergangenheit, außer die Bewohner des Strandes sprechen selbst darüber. Alice wandelt wie in einem Computerspiel durch die Szenerie und kann nur von den Seelen gesehen werden, denen sie von ihrer Schwester vorgestellt wird.
Schnell bemerkt sie, dass der Ort nicht so schön ist, wie es die Illusion vorgaukelt. Keine Geräusche, keine Tiere, keine Veränderungen – Langeweile pur. Gefangen fühlen sich die Gäste des Strandes und nur Besucher können helfen, die Rätsel der Vergangenheit zu lösen, um den Weg ins endgültige Jenseits frei zu machen. Und da es die meisten Besucher nicht lange in dieser Unwelt aushalten und das Interesse verlieren ruhen alle Hoffnungen auf Alice.
Es beginnt ein turbulentes Spiel auf zwei Ebenen. In der wirklichen Welt versucht Alice den Mörder ihrer Schwester zu finden, auch wenn dies bedeutet, dass Meggie endgültig verloren gehen kann. Und zeitgleich versucht sie den jenseitigen Freunden von Meggie zu helfen, deren Seelen auch nach Erlösung rufen. Kann sie ihren Weg finden und gleichzeitig so viele Rätsel vergangener Leben lösen? Kann sie ihre Schwester befreien und den Mörder entlarven, der immer noch in Freiheit ist und wie kommt sie damit zurecht, dass sie für eine der Seelen mehr empfindet, als es eigentlich sein dürfte. Darf man sich in dieser Situation in einen toten Jungen verlieben und wo liegt die Erfüllung dieser Sehnsucht – in unserer Welt oder im Reich der Toten?
Ein gefährlicher Weg für Alice… vor allem, weil der Mörder ihrer Schwester sie beobachtet… sehr aufmerksam…
Kate Harrison entwirft in ihrem ersten Jugendbuch, dem Trilogie-Auftakt „Soul Beach„ (Loewe Verlag) ein frostiges Paradies mit viel Potential für die zu erwartenden Fortsetzungen. Alice befindet sich am Scheideweg ihres eigenen Lebens. Einerseits scheint der Tod seinen Schrecken zu verlieren und Alice beginnt sich immer mehr für den Strand und seine Gäste zu begeistern. Andererseits ist ihr bewusst, dass sie der allerletzte Brückenkopf dieser Verstorbenen im Reich der Lebenden ist und sie diese Hoffnungen nicht enttäuschen darf.
Mitten im Roman hielt ich es für wenig plausibel, dass Alice beginnt, die Probleme anderer Seelen mit der gleichen Energie zu lösen, wie es ihre tote Schwester Meggie eigentlich verdient hätte. Angesichts mehrerer tausend Übergangs-Toter am Strand könnte man auf diese Weise problemlos mehr als drei Bücher füllen, ohne auf den Punkt zu kommen. Ich wollte das Buch eigentlich beiseite legen, obwohl es spannend war, aber eigentlich auszuufern drohte.
Ich habe die Entscheidung, auf dem Strand zu bleiben nicht bereut. Ich hätte wohl eine der emotionalsten Sequenzen eines romantischen Jenseits-Romans verpasst, den ich jemals lesen durfte. Wie in jeder virtuellen Welt gibt es ein „nächstes Level“ und man sollte da sein, wenn Alice es erreicht. Und sie erreicht es nicht alleine. Wow… dieses Ende des ersten Teils der Trilogie hat mich berührt und dafür gesorgt, dass mein Leser-Handtuch am Strand liegen bleiben wird. Ich muss wissen wie es weitergeht.
Mit dem Täter, der Alice verfolgt…. mit ihrer Schwester Meggie, die auf Erlösung hofft und mit Alice selbst, die in einem finalen Moment des Erkennens endlich fühlen darf. Erstmals greift sie vor ihrem Computer nicht ins Leere, sondern… Ach, lest „Soul Beach – Frostiges Paradies“ doch selbst. Es lässt niemanden kalt. Versprochen.
Und genau an dieser Stelle geht es weiter mit dem zweiten Teil der Trilogie. „Soul Beach – Schwarzer Sand„… alles wird schlimmer… und der Mörder naht.